Wie Kunstturnen seit 2006 bewertet wird:

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Seit Jahresbeginn 2006 gelten weltweit radikal veränderte Wertungsvorschriften im Kunstturnen. Die frühere "Traumnote 10" ("magic 10") als Absolutmaß der Turndinge ist Vergangenheit. Jetzt sind Kürnoten nach oben offen und Rekorde werden möglich. Der Ausführungsqualität wird nun im Verhältnis zur Schwierig-keit deutlich mehr Bedeutung zuerkannt, als in den letzten Jahr(zehnt)en.

ÖFT-Kampfrichterobmann DI Josef Toth stellt die neuen Wertungsregeln im
Vergleich zum früheren System wie folgt vor (die zusätzlichen Erläuterungen zu den Abweichungen bei den Frauen stammen von ÖFT-Sekretärin
Eva Pöttschacher):
 

Nach den Vorfällen bei den Kunstturnbewerben der Männer anläßlich der olympischen Spiele von Athen 2004, kam die gesamte Sportart seitens des IOC wieder einmal massiv unter Druck. Der Präsident der FIG, Brundo Grandi, sah sich gezwungen, Reformen der Wertungsvorschriften in Gang zu bringen. Sein Reformeifer ging dahin, die Vorschrift transparenter, universeller und vor allem resistenter gegen Unkorrektheiten aller Art zu gestalten.

Ausgestattet mit dem Einverständnis des FIG-Exekutivkommittees beauftragte er die jeweiligen Technischen Kommittees mit der Ausarbeitung neuer Wertungsvorschriften. Wesentlichste Neuerung und somit Abschied von bisher gewohntem ist, dass die Endnote nun „nach oben offen“ ist. Die Note setzt sich generell aus den Faktoren „Übungs-inhaltswert“ (A-Note) und „Übungsausführung“ (B-Note) zusammen. Die Summe aus diesen beiden Teilen ergibt die Endnote.

Das Bemerkenswerte an dieser Innovation ist, dass der Faktor der Übungsausführung gegenüber dem Inhaltswert extrem hoch in die Wertung eingeht. Dies rührt daher, dass Ausführungsfehler von der theoretischen Höchstmarke 10,00 abgezogen werden. Die „magische 10“  scheint also zumindest in der Ausführung einer Übung noch auf. Der Übungsinhaltswert errechnet sich hingegen aus der Summe der 9 schwersten Elemente einer Übung plus dem Wert des Abganges.

Die Einstufung der Elemente erfolgt nun bei den Männern in 6 Stufen mit der Bezeichnung A bis F. Bei den Frauen sind es 7 Stufen von A bis G. Jedem Teil ist ein bestimmter Wert zugeordnet. Ein A-Teil erhält den Wert 0.1 Punkte, ein B-Teil 0.2 Punkte, ein C-Teil 0.3 Punkte, ein D-Teil 0.4 Punkte, ein E-Teil 0.5 Punkte, ein F-Teil 0.6 Punkte und (nur bei den Frauen) ein G-Teil 0.7 Punkte.

Zu diesen 10 Elementen einer Übung, die in Betracht gezogen werden, kommen noch Elementgruppenanforderungen. Wie schon im vergangenen Code de Pointage gibt es auch jetzt wieder an jedem Gerät 5 Elementgruppen (am Boden nur 4, da der Abgang nicht als solcher bezeichnet wird), die eine vielfältige Gestaltung einer Übung erzwingen sollen.

Für jede gezeigte Elementgruppe innerhalb der 9 schwersten Elemente werden 0,5 Pkt. zu den Elementwerten addiert. Man sieht schon, dass keine Mindestanforderung an die Schwierigkeit mehr gestellt wird. Auch mit einer leichteren Übung ist man in der Lage, durch eine abwechslungreiche Gestaltung für 4 Elementgruppen den Übungsinhaltwert um 2,0 Pkt. zu erhöhen. Eine Sonderregelung gibt es für die Elementgruppe V (Abgang). Hier erhält der Turner je nach Schwierigkeit unterschiedliche Zuschläge. Für Abgänge der Schwierigkeit A oder B gibt es keinen Zuschlag, für einen C-Abgang +0,3 Pkt. und für einen D-Abgang +0,5 Pkt. Zuschlag.

Bei den Männern darf als "besondere Raffinesse" eine Übung nur maximal 4 Elemente einer Elementgruppe enthalten. Das chronologisch betrachtete 5. und jedes weiter Element werden gestrichen. Bei den Frauen gibt es diese Detailregel nicht. 

Als letzte Möglichkeit, den Übungsinhaltswert zu erhöhen, gibt es Verbindungsbonus für die direkte Verbindung ausreichend schwieriger Elemente. Bei den Frauen müssen alle Verbindungen direkt sein, nur am Boden können akrobatische Elemente auch indirekt verbunden sein; Es werden dafür 0.1 oder 0.2 Bonuspunkte vergeben. Bei den Männern gibt es Verbindungsbonus nur noch an den Geräten Boden (direkte Verbindung beidbeinig abgesprungener Salti), Ringe (direkte Verbindung von Kraftelementen bei denen jeder Körperteil in eine höhere Position angehoben werden muss) und Reck (im Wesentlichen direkte Verbindung von Flugelementen).

Die zuletzt anläßlich der WM gezeigten Übungen würden nach dem neuen Berechnungs-schema einen Übungsinhaltwert von durchschnittlich 5,7 Pkt. erzielen. Man sieht daher das starke Übergewicht der Ausführung zugunsten des Inhaltes.

Um diesen Trend noch zu verstärken, wurden auch die Abzüge für Verstöße gegen technische, haltungmäßige und kompositorische Anforderungen stark erhöht. Der „kleine“ Fehler bleibt wohl bei einem Abzug von 0,1 Pkt., der „mittlere“ Fehler wird aber schon mit 0,3 Pkt. bestraft und der „schwere“ Fehler zieht nun überhaupt einen Abzug von 0,5 Pkt. nach sich. Ein Sturz mit 0,8 Pkt. Bestrafung (= äquivalenter Wert von 2 lupenreinen D-Teilen) wird nun überhaupt zur mittleren Katastrophe.

Der Grundtenor, „man darf im Wettkampf nur Elemente turnen, die man mit hoher Sicherheit und ausgezeichneter Ausführung beherrscht“, zieht sich mehr denn je durch die gesamte Wertungsvorschrift.

 Beispiel einer Männerübung:
 Elemente: A A D D C F A A B D B D    
 Wert: 1 1 4 4 3 6     2 4 2 4 = 3.1 Pkt.
 Gruppen: II II III I IV I     II III I V    
 Wert: 5   5 5 5             5 = 2.5 Pkt.

Übungsinhaltswert.

= 5.6 Pkt.

Übungsausführung: 10.00 -1.80.

= 8.2 Pkt.

Endnote: 5.6 + 8.2.

= 13.8 Pkt.

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