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Einleitung   Vorgeschichte   Werdegang   Chronik
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Der Österreichische Fachverband für Turnen (ÖFT) wurde am 26. Juli 1947 in Graz gegründet. In den bald 70 Jahren seit damals gab es bessere und schlechtere Zeiten. Die schlechteste war wohl knapp vor der Halbzeit:

 

Rund um die 1970er-Jahre irrte der ÖFT sportlich und organisatorisch fast im Niemandsland umher. Doch es ist gelungen, wieder aufzuholen und sich zum heutigen modernen, gut aufgestellten Verband für den gesamten österreichischen Turnsport weiter zu entwickeln. Entwicklungspotenzial („Luft nach oben“) gibt es allerdings noch mehr als genug. Der Weg in die nächsten 70 Jahre wird sicher spannend.

 


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Die Vorgeschichte:

Turnen in Österreich gibt es nicht erst seit 1947, sondern schon gut hundert Jahre länger. Der älteste heute noch bestehende Turnverein – jener in Ried/Innkreis – wurde 1848 gegründet. Initialzünder war der deutsche Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), der nicht nur das Kunstwort „Turnen“, sondern auch Geräte wie z.B. den Barren und die dazu gehörigen Übungen erfunden hatte. Das Turnen setzte in der Folge rasch – zum Teil losgelöst von Jahns dem Turnen zugrunde gelegter nationalistischer Ideologie, zum Teil eng mit ihr verbunden – zur weiten Verbreitung durch den deutschen Sprachraum und in ganz Europa, bald weltweit, an.
 

Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erlebte das Turnen im deutschsprachigen Raum der damaligen k.u.k. Monarchie einen Vereinsgründungsboom. Die „Deutsche Turnerschaft“ in Österreich, die „Arbeiterturnbewegung“ (2017 wird auch das Jubiläum „125 Jahre Arbeitersport“ begangen, an dessen Entwicklungsbeginn ausschließlich Turnvereine standen), die „christlich-deutsche Turnerschaft Österreichs“, die tschechische „Sokol-Bewegung“, auch der jüdische „Hakoa“-Verband und bis zu einer Handvoll andere Dachorganisationen waren untereinander jedoch nicht vernetzt. Ganz im Gegenteil segelten alle auf ideologischem Konfrontationskurs, in den Statuten dieser Verbände waren sogar Kontakt- und Kooperationsverbote beinhaltet. Daher gab es bis zum Zweiten Weltkrieg nie eine von allen gemeinsam errichtete oder akzeptierte Turn-Trägerplattform – und auch keine gemeinsamen „verbandsübergreifenden“ Wettkämpfe. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme in Österreich 1938 wurden alle Vereine und Verbände zwangsaufgelöst oder kamen dieser Auflösung „freiwillig“ zuvor.

 

Vor dem zweiten Weltkrieg und auch noch in den Jahren danach war „Turnen“ keine Sportart unter vielen, sondern ein (DER) Bewegungskontrapunkt zum „Sport“. Der Sport wurde primär leistungsorientiert begriffen, während die individuelle Höchstleistung von „den Turnern“ offiziell nicht angestrebt wurde. Turnen war nicht Selbstzweck, sondern diente als Mittel zum Zweck, um damit vorrangige gesundheitliche, ideologische, politische oder Bildungs-Ziele zu erreichen.


Im Schulbereich war das damalige Österreich der weltweite Vorturner: Schon 1869 wurde „Turnen“ als Schulpflichtfach für Burschen und (!) für Mädchen eingeführt (man bedenke, was heute notwendig ist, um ein neues Pflichtfach an den Schulen zu etablieren). Allerdings beinhaltete das Schulturnen bei seiner Einführung hauptsächlich „Ordnungsübungen“. Das „Natürliche Turnen“ hingegen, als aus Österreich stammende weltweit relevante Reformpädagogik-Strömung mit offenen Bewegungsaufgaben und ohne starre Körperhaltungszwänge, trug nach dem Ersten Weltkrieg maßgeblich zur vielfältigen Ausprägung des Turnens nicht nur hierzulande bei.

 


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Werdegang: Der ÖFT-Weg bis heute.

Am 26. Juli 1947 wurde der „Österreichische Fachverband für Turnen“ in Graz von den beiden Dachverbänden ASKÖ (damals: ATUS, „Arbeiter-Turn- und Sportbund) und Sportunion (damals: „Österreichische Turn- und Sportunion“) gegründet, auch die (damals „unabhängige“) Vorarlberger Turnerschaft war seit Beginn an Bord. Tags darauf fand die erste Staatsmeisterschaft statt. Offizielle österreichische Meister im Turnen hatte es davor kurioser bzw. historisch bedingter Weise noch nie gegeben, obwohl das Turnen an sich schon jahrzehntelang eine der am weitesten verbreiteten „Sportarten“ (Bewegungsformen) gewesen war.

 

Der ÖFT erklärte sich während seiner ersten vier bis fünf Bestandsjahrzehnte jedoch nicht für das gesamte Turnen zuständig, sondern nur für den (Hoch-)Leistungssport. Die Freizeit-, Hobby-, Gesundheits-, Fitness- und Breitensportbereiche des Turnens deckten die ebenfalls in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg in der heutigen Gestalt etablierten drei Dachverbände ASKÖ, ASVÖ und Sportunion ab. Zuerst war dies selbstverständlich – und der ÖFT de facto nicht mehr als eine paritätisch besetzte Leistungssport-Plattform der Dachverbände. Im Lauf der Zeit wurde das Turnen jedoch Zug um Zug aus seiner früheren österreichweit dominanten Rolle als Leitsportart heraus gedrängt.
 

Für die Dachverbände war das Turnen spätestens um 1970 nur noch eine Sportart unter vielen. Sie kümmerten sich nicht mehr mit der früheren Intensität um die Grundsportart Turnen, auch der ÖFT tat dies (noch) nicht. Über mehrere Jahrzehnte hinweg gab es deshalb in Österreich ein unbefriedigendes Nicht-Zuständigkeits-Vakuum bezüglich des Freizeit- und des Hobby-Vereinsturnens. Einzig der nicht im offiziellen österreichischen Sportsystem verankerte und sich dem Turnen im traditionellen Jahn’schen Verständnis verpflichtet sehende „Österreichische Turnerbund“ (ÖTB), dessen Vereine allerdings parallel nahezu geschlossen dem ASVÖ wie dem ÖFT angehör(t)en, nahm dieses Feld für sich in Anspruch.


Den Vereinen war das Vakuum egal, sie turnten entweder weiter oder hörten zahlreich damit auf. Starke Initiativen auf Dach- oder Fachverbandsebene zur Weiterentwicklung des Turnens fehlten in den 1970er-Jahren ebenso, wie ein gutes Aus- und Fortbildungssystem für Trainer, Lehrer und Übungsleiter. Auch im Leistungssport bildete dies die erfolgloseste ÖFT-Epoche, denn man hatte die internationale Entwicklung leider völlig verschlafen. Während zum Beispiel in Deutschland der DTB und in der Schweiz der STV mit gesamtheitlichem Selbstverständnis als „Träger des Leistungs-, Freizeit- und Gesundheitsturnens“ umfassend vom vielseitigen Kleinkinderturnen bis zum Olympiasieger tätig waren – und stetig wuchsen – schrumpfte das Turnen in Österreich überall und in allen Belangen.

 

Vom Erkennen des Problems (Diskussionen über das nicht Unabänderliche am Gesamtnegativtrend tauchten in ÖFT-Vorstandsprotokollen erstmals um 1980 auf) über das „sich dafür verantwortlich fühlen“, über die ersten aktiven Gegensteuerungs-Maßnahmen (z.B. Einführung des ÖLTA-Turnabzeichens 1984) bis hin zur konsequenten Umsetzung eines neuen Leitbildes vergingen im ÖFT gut 20 Jahre. Ab 1991 bekannte man sich offiziell dazu, „alleine und selbst verantwortlich“ zu sein: Alle Bezüge und Verweise auf die drei Sportdachverbände wurden aus den ÖFT-Satzungen entfernt. Erst 2003 verabschiedete man allerdings jene Satzungsänderungen, die den ÖFT schließlich auch offiziell mit einem neuen Leitbild als Interessensvertretung und Kompetenzzentrum des gesamten österreichischen Turnsports auf nationaler und internationaler Ebene ausstattete: „Komplettanbieter und Serviceleister für den Spitzensport und alle Turnvereine Österreichs“.

 

Das Verständnis des Wortes „Turnsport“ weitete sich Ende der 1990er-Jahre im ÖFT außerdem stark aus: Parallel zur internationalen Entwicklung hatte der ÖFT knapp vor der Jahrtausendwende die neuen Sparten Trampolinspringen, Sportakrobatik und Sportaerobic, etwas später auch das Rope Skipping aufgenommen sowie das skandinavische Team-Turnen in Österreich neu etabliert. Noch etwas Wesentliches änderte sich in den 1990er-Jahren deutlich zum Besseren: Eine neue Generation von ÖFT-Verantwortungsträger/inne/n und Trainer/inne/n genügte es nicht mehr, nur zu bedauern, dass man im Spitzensport-Weltgeschehen per se keinerlei Chance habe. Sondern man machte sich konsequent an die Arbeit, die bald mehr und mehr Erfolge zeitigte. Davor war man (mit punktuellen Ausnahmen in der Rhythmischen Gymnastik) jahrzehntelang ununterbrochen ganz hinten in den internationalen Ergebnislisten zu finden gewesen.

 

2003 ging die historisch erste österreichische Turnsport-Weltcupmedaille (Marco Baldauf als Türöffner am Reck in Cottbus) noch als Sensation durch. Seit damals standen zehn verschiedene ÖFT-Sportlerinnen und Sportler in Summe mehrere Dutzend Male auf allen Stufen der FIG-Weltcup-Siegerehrungspodeste. Die Ergebnisentwicklung bei den Welt- und Europameisterschaften zeigte in allen ÖFT-Sparten in den letzten beiden Jahrzehnten nahezu kontinuierlich aufwärts, gipfelte mit 2x WM-Gold und einmal Junioren-EM-Gold punktuell sogar bereits ganz oben.

 

Doch je näher man dem Gipfel kommt, desto dünner wird bekanntlich die Luft und man selbst beim Gehen langsamer. Was die Sportstätten-Infrastruktur, die Anzahl an professionellen Trainerposten, die systematische Talententwicklung und last but not least das vorhandene Budget betrifft, ist der österreichische Spitzenturnsport jedenfalls noch sehr weit von optimalen Rahmenbedingungen entfernt.

 

Im Kernbereich des Vereins-Gerätturnens glückte 2007 ein wichtiger Meilenstein: Endlich und erstmalig gelang es, die Vielzahl der „unterhalb des Kunstturnens“ angesiedelten Hobby-Wettkampfprogramme zu einem österreichweit einheitlichen mit weltweit ganz neuem System zusammen zu führen: „Turn10®“ belebte die Landschaft seit damals kräftig. Heute nehmen viel mehr Personen aller Altersgruppen an diesen „Zweite-Liga“-Turnwettkämpfen teil, als noch vor zehn Jahren. Die Anzahl der jährlich an Turn10 beteiligten Vereine steigerte sich von rund 250 auf 400. Die sportlichen Leistungen bei Turn10 verbesserten sich seit der Einführung deutlich, dennoch kann weiterhin jede/r mitmachen. Man hat also nicht nur für viel mehr, sondern auch für deutlich besseres Turnen gesorgt. Gemessen an der Zahl der im Wettkampfsport beteiligten Vereine ist Turnen daher heute (hinter Fußball) wieder die zweitgrößte Kindersportart Österreichs, bei den Mädchen sogar die größte. Starkes Selbstbewusstsein ist also angebracht, wenn der 70 Jahre junge ÖFT die nächsten Schritte in die Zukunft setzt.

 


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Ein Ausblick:


Was kommt auf den ÖFT und den österreichischen Turnsport zu? Welche Herausforderungen warten in der nächsten Zeit und in den nächsten Jahr(zehnt)en?

 

Natürlich sind die Antworten auf diese Fragen noch unbekannt. Der ÖFT hat sich für die nächsten Jahre als großes Ziel gesetzt, ein eigenes Bundesleistungszentrum („ÖFT-Campus“) zu errichten und zu etablieren, um für den Spitzensport auf allen Ebenen den nächsten Struktursprung zu ermöglichen.

 

Zweifelsfrei werden alle Turnvereine, die Landesverbände und der ÖFT gut beraten sein, sich aktiv mit den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu beschäftigen und sie in ihrer Tätigkeit abzubilden. Bezogen auf den Turnsport scheint dies zurzeit verstärkt die Kooperation mit ganztägigen Schulformen zu bedeuten, die für den klassischen Kinder-Vereinssport Gefahr oder Chance sein können – je nachdem, wie man damit umgeht.

 

Dazu kommen neue „turnerische Bewegungsformen“ und Sportarten wie Freerun oder Parcour, die sich konstant positiv entwickeln und beginnen, sich übergreifend zu organisieren. Sollen sie das innerhalb oder außerhalb des ÖFT tun? Und überhaupt: Wie „verkauft“ man das Turnen heute am besten in der Öffentlichkeit?

 

Mit diesen und vielen weiteren Fragen wird sich eine groß angelegte „Zukunftskonferenz Turnsport in Österreich“ beschäftigen, die der ÖFT anlässlich des 70-Jahr-Jubiläums vorbereitet und zu der bald alle Interessierten eingeladen werden.

[Text: Robert Labner, ÖFT-Generalsekretär]

 


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Chronologische ÖFT-Eckdaten:


26.7.1947: Gründung des Österreichischen Fachverbandes für Turnen in Graz (am Tag vor der ersten Staatsmeisterschaft). Erster ÖFT-Präsident ist Ludwig Treybal, bis inkl. 1954 jährlich abwechselnd mit Anton Marousek. Der Verbandssitz ist in der Wiener Hauslabgasse (nach Treybal als „Pionier der Turnbewegung“ werden 1979 eine Sportanlage sowie ein Platz in Wien-Floridsdorf benannt).

 

1948: Rang 9 der Ö-Turner-Mannschaft bei den Olympischen Spielen in London.

 

1950: Trude Kolar wird Weltmeisterin an den Schaukelringen,  Vizeweltmeisterin im Pferdsprung und WM-Dritte im Mehrkampf. Erstmals erhält der ÖFT öffentliche Fördermittel (aus dem Sporttoto).

 

1952: Rang 11 der österreichischen Kunstturnerinnen-Mannschaft bei den Olympischen Spielen in Helsinki. Hans Sauter erreicht das Olympiafinale am Pauschenpferd. Käthe Wiesenberger wird in das Technische Komitee der FIG für Frauenturnen gewählt (und behält diese Funktion für 20 Jahre).

 

1953: In jedem der neun österreichischen Bundesländer gibt es nun einen Landesfachverband für Turnen. Außer in „Kärnten und Osttirol“ (damals ein gemeinsamer Landesverband) auch bereits Landesmeisterschaften.

 

1954: Erste deutliche Strukturreform des ÖFT (Öffnung, Föderalisierung). Bis jetzt wechselte die ÖFT-Präsidentschaft jährlich zwischen der ASKÖ und der Sportunion. Nun beginnt die 19-jährige Präsidentschaftsperiode (bis 1973) von Anton Marousek, der auch davor bereits zwei Jahresperioden an der ÖFT-Spitze gestanden hatte.

 

1955: Hans Sauter gewinnt Europameisterschafts-Bronze am Pauschenpferd. Der ÖFT-Verbandssitz ist jetzt im Wiener Bundessportheim Blattgasse.

 

1956: FIG-Kongress in Wien.

 

1958: Der ÖFT gibt ein klares Bekenntnis zum „Turnen als Sport, losgelöst von allen Ideologien“ ab. Früher bestimmende „geistig-ideelle Orientierungen“ seien nicht mehr zeitgemäß.

 

Ab 1958: Kontinuierliches Einsetzen einer völligen Spitzensportflaute. Man verschläft im ÖFT die internationale Entwicklung (kommunistische „Staatsamateure“, sprich: einsetzende Professionalisierung) völlig.

 

1959: Mit über 8.000 Zusehern ist die Wiener Stadthalle bei einem „Europaturnen“ ausverkauft. Ebenso das Finale der Staatsmeisterschaft im Salzburger Festspielhaus.

 

1961: Der ÖFT ist „vielleicht sogar stolz darauf“ (Präsident Marousek), mit den führenden Nationen und deren Trainingsmethoden nicht mithalten zu können. Das ÖFT-Büro übersiedelt kurz in die Wiener Falkestraße, im Jahr darauf in das österreichische „Haus des Sports“ in der Prinz-Eugen-Straße.

 

1963: Henni Parzer-Behrendt schafft den 13. EM-Mehrkampfrang. Die „Pflege der österreichischen Spitzenklasse“ wird offiziell aus der Verantwortung des ÖFT in jene der Landesverbände überstellt. Das ÖFT-Büro übersiedelt an die heutige Adresse Schwarzenbergplatz 10.

 

1964: Letzte österreichische Kunstturn-Olympiateilnahme (durch Henni Parzer-Behrendt) für 48 Jahre.

 

1965: 4. Welt-Gymnaestrada mit über 15.000 Teilnehmern aus vier Kontinenten in Wien.

 

1966: Der ÖFT plant ein eigenes Bundesleistungszentrum, man scheitert an der Finanzierung.

 

1967: ÖFT-Mitgliederhöchststand: 690 Vereine mit 181.848 Personen. So wie damals ist der ÖFT heute (421 Vereine mit 96.895 Mitgliedern) der sechstgrößte Bundes-Sportfachverband Österreichs. Vor „uns“ liegen heute Fußball, Ski, Tennis, Eisstock und Golf, hinter uns 54 weitere.

 

1968: Premiere der „Modernen Gymnastik“ im ÖFT. 1974 folgte die Umbenennung in „Rhythmische Sportgymnastik“, 1998 in „Rhythmische Gymnastik“.

 

1970-1973: Der ÖFT am Organisations- und Leistungstiefpunkt: In den Sitzungsprotokollen wird hauptsächlich Jammern über die Misere festgehalten, schuld sind immer „die anderen“ (Rahmenbedingungen etc.). Das ÖFT-Büro ist fast verwaist, man unternimmt nahezu nichts. Die BSO analysiert eine „ernsthafte und starke Krise im Turnen“.

 

1973: Rücktritt des Langzeitpräsidenten Marousek. Rudolf Leiter übernimmt für sechs Jahre die ÖFT-Führung. Zu Beginn beklagt Leiter, „nicht die ganze Verbandsarbeit alleine erledigen zu können.“ Doch es beginnt wieder aufwärts zu gehen.

 

1974: Manfred Moosmann (V) wird Nationaltrainer der Turner, unter seiner Leitung erfolgt ein kontinuierlicher langfristiger Aufschwung.

 

1976: Erstmals hebt der ÖFT von seinen Vereinen Mitgliedsbeiträge ein, es folgt eine massive Austrittswelle. Die Vorarlberger Turnerschaft steht knapp vor dem Ausschluss aus dem ÖFT, weil sie sich lange weigert, sich als Landesfachverband zu bezeichnen. Schließlich tut sie es doch.

 

1977: Erst jetzt werden die ersten offiziellen Kunstturn-Trainerausbildungen durchgeführt. Der ÖFT plant wieder ein Bundesleistungszentrum, man scheitert erneut an der Finanzierung. Der Tscheche Jiri Dvoracek wird Turnerinnen-Nationaltrainer und führt damals international übliche Trainingsmethoden erstmals auch in Österreich ein. Verbandskassier Erich Kodon wird FIG-Rechnungsprüfer.

 

1978: Rudolf Otepka wird zum ÖFT-Präsidenten gewählt und hält diese Position 13 Jahre. Das Tempo des Nach- und Aufholprozesses erhöht sich zusehends. Erstmals seit 1966 nimmt man wieder mit kompletten Teams bei Frauen und Männern an der Turn-WM teil.

 

1979: Erste Schnitzelgrube in Österreich (auf private Initiative in Leonding).

 

1980: Die bulgarische RG-Weltmeister-Trainerin Raina Afionlieva beginnt ihre Tätigkeit in Österreich. Bald folgt ein Leistungssprung.

 

1982: In Dornbirn wird die erste „echte“ Kunstturn-Trainingshalle Österreichs mit fix aufgestellten Geräten und Schnitzelgrube eröffnet (heute gibt es bundesweit 20 Kunstturnhallen, sie sind meist sind zu klein für den Andrang).

 

1983: Einführung des ÖLTA und damit des „Turnen für Alle“ im ÖFT: Trotz des eigentlich irreführenden Namens „Österreichisches Leistungsturnabzeichen“ wird das ÖLTA unter hauptsächlicher Verantwortung von Werner Kulhanek in den folgenden gut 20 Jahren das erfolgreichste Schul- und Vereins-Sportabzeichen Österreichs.

 

1984: Europameisterschaften in der Rhythmischen Gymnastik in Wien. Ab jetzt erreicht die österreichische Nationalgruppe mehrere WM-/EM-Finale.

 

1987: ÖFT-Präsident Otepka wird in das UEG-Exekutivkomitee (Präsidium) gewählt.

 

1988: Erste österreichische Olympiateilnahme in Rhythmischer Gymnastik durch Elisabeth Bergmann (bis heute folgen fünf weitere). Ein ÖFT-Symposium „Turnen in der Krise?“ resultiert in geringfügigen Strukturanpassungen.

 

1989: UEG-Kongress in Wien. Die Hauptamt-Funktion eines „ÖFT-Sportmanagers“ wird geschaffen, im Jahr darauf jene eines „Sportkoordinators“.

 

1990: Turner-Junioren-EM-Finale in Wolfurt.

 

1991: Herta Schwendenwein aus Graz wird zur ÖFT-Präsidentin gewählt, behält diese Funktion für eine Periode bis 1994. Anpassung der Verbandsstruktur: Entfernung der Sportdachverbände aus den Satzungen, stärkerer Föderalismus, erstmals Verankerung von professionellem Management.

 

1993: ÖFT-Kongress „Turnen 2000. Die zukünftigen Aufgaben der Turnvereine“ mit hunderten Teilnehmern in Ried/Innkreis. Präsidentin Schwendenwein wird in das UEG-Exekutivkomitee gewählt, die damalige Bundesfachwartin Heide Bruneder in das Technische UEG-Komitee für Rhythmische Gymnastik.

 

1994: Franz Fetti wird zum Präsidenten des ÖFT gewählt und behält diese Funktion bis zu seinem überraschenden Tod knapp zehn Jahre lang. Catalin Mircan qualifiziert sich als erster Österreicher für ein Turner-EM-Mehrkampffinale.

 

1995: Weltmeisterschaft der Rhythmischen Gymnastik in Wien.

 

1996: 2x RG-Olympiateilnahme (Birgit Schielin und Nina Taborsky). Catalin Mircan wird WM-Zehnter am Pferd und erreicht Rang 5 der Weltrangliste. Thomas Zimmermann erreicht das EM-Mehrkampffinale.

 

1999: Integration von Trampolinspringen, Sportakrobatik und Sportaerobic als neue Sportarten/Sparten in den ÖFT. Im Jahr darauf folgen das Team-Turnen und Rope Skipping.

 

2000: Die FIG ersetzt weltweit das Sprungpferd durch den Sprungtisch, der vom Leondinger Trainer-Künstler Helmut Hödlmoser erfunden worden war. Erster österreichischer FIG-Weltcup: Trampolinspringen in Wien.

 

2001: Heide Bruneder wird zu „Europas Präsidentin für Rhythmische Gymnastik“ gewählt („Präsidentin des Technischen Komittees Rhythmische Gymnastik der UEG), hält diese Position bis heute.

 

2002: Ein „ÖFT-Zukunftskongress“ als Startschuss zur Erarbeitung eines umfassenden ÖFT-Leitbilds, das nicht nur den Hochleistungssport fokussiert. Thomas Zimmermann auf Rang 6 der Pferd-Weltrangliste. EM-Teamplatz 11 der RG und 15 der Turnerinnen sind neue Bestwerte in neuer Dimension, die allerdings in den Folgejahren noch klar überboten werden. UEG-Eurogym-Festival in Dornbirn.

 

2003: Der ÖFT bekennt sich nach einem Selbstfindungs- und Erneuerungsprozess ab nun dazu, nicht nur für den Leistungs- und Spitzensport, sondern „für alles“ im Turnsport zuständig zu sein: Interessensvertretung und Kompetenzzentrum des gesamten österreichischen Turnsports auf nationaler und internationaler Ebene. Marco Baldauf gewinnt die erste FIG-Weltcupmedaille des ÖFT (Bronze). Bis heute folgen mehrere Dutzend weitere in allen Farben durch insgesamt zehn verschiedene Sportler/innen. Der UEG-Kongress findet in Wien statt.

 

2004: Europameisterschaft im Team-Turnen in Dornbirn. Erste ÖFT-Übungsleiter-Ausbildungen („Einstieg in das Unterrichten“) finden statt. Vizepräsidentin Heide Bruneder übernimmt nach dem Tod von Präsident Fetti interimistisch die ÖFT-Führung.

 

2005: Christian Katzlberger wird zum ÖFT-Präsidenten gewählt, 2010 tritt er nach Differenzen im Vorstand zurück.

 

2007: 13. Welt-Gymnaestrada mit 22.000 Aktiven aus 58 Ländern und allen Kontinenten in Dornbirn.

 

2008: „Turn10“ wird als erstes österreichweit einheitliches Wettkampfprogramm für das Vereins-/Basis-Gerätturnen eingeführt und auch eine eigene Fachsparte dafür im ÖFT gegründet. Erste Olympiateilnahme von Caroline Weber.

 

2009: Premiere der „FIG Gym For Life World Challenge“ (WM im Gruppenturnen) in Dornbirn.

 

2010: Friedrich Manseder wird zum Präsidenten des ÖFT gewählt, er hält diese Position bis heute. Man verabschiedet eine ÖFT-Strukturreform (schlankerer Vorstand, neu eingeführte Sportkommission, erstmals ein mit der Geschäftsführung beauftragter Generalsekretär). Caroline Weber erreicht die Top10 der Weltrangliste. Elisa Hämmerle auf Turnplatz 12 der ersten Olympischen Jugendspiele. Turn10 wird nun auch als offizielles Schul-Gerätturnprogramm eingeführt. Die Anzahl der jährlichen Österreichischen (Staats)-Meisterschaften des ÖFT erreicht mit 18 getrennt organisierten Veranstaltungen ihren bisherigen Höchststand (zu Beginn war es 20 Jahre lang von 1947 bis 1967 jeweils nur eine einzige Meisterschaft).

 

2011: Fabian Leimlehner erreicht die Spitze der Reck-Weltrangliste und hält sie drei Monate lang. Das RG-Nationalteam klettert auf Platz 6 der EM.

 

2012: Drei Olympia-Teilnahmen, die zweite von Caroline Weber sowie im Kunstturnen erstmalig seit 48 Jahren (Barbara Gasser, Fabian Leimlehner). Erstes Turn-EM-Gerätefinale für den ÖFT (Marco Baldauf). Erstes Trampolin-Junioren-EM-Finale (Martin Spatt). Die erste Sportaerobic-WM-Medaille sowie der erste ÖFT-Weltcupsieg überhaupt (Lubi Gazov). Erste Rope-Skipping-EM-Einzelmedaille (Birgit Hasler). Außerdem die bislang letzte ÖFT-Strukturreform: Professionelle leitende Mitarbeiter (Generalsekretär, Sportdirektoren) sind jetzt mit Sitz und Stimme im Präsidium verankert, es gibt nun keine ehren-/hauptamtliche Doppelstruktur mehr.

 

2013: Lubi Gazov gewinnt Sportaero-bic-EM-Silber und World-Games-Bronze. „Zurcaroh“ (SG Götzis) gewinnt den offiziellen FIG-WM-Titel im Gruppenturnen. Europameisterschaften Rhythmische Gymnastik in Wien. ÖFT-Vizepräsident Walter Sinn wird zum UEG-Rechnungsprüfer gewählt.

 

2014: Lubi Gazov wird Sportaerobic-Weltmeisterin. Vinzenz Höck gewinnt die Junioren-Europameisterschaft an den Ringen.

 

2015: Zwei Weltcupsiege, ein Dutzend Weltcup-Top10-Plätze, fünf Athlet/innen in den Top 10 der Weltranglisten zu Jahresende. Bislang teilnehmerstärkste Welt-Gymnaestrada-Teilnahme mit über 600 Österreicher/innen in Helsinki. Die nächste 16. Welt-Gymnaestrada 2019 wird an Dornbirn vergeben.

 

2016: Zwei Olympia-Teilnahmen (Lisa Ecker, Nicol Ruprecht), zwei EM-Finali, sechs Weltcup-Medaillen und über ein Dutzend weitere Weltcup-Top10-Plätze. ÖFT-Präsident Manseder wird in das Präsidium der BSO gewählt.

 

2017: Johanna Gratt wird in das Tech-nische Komitee der FIG für weibliches Kunstturnen gewählt (weiteres folgt).

 

Der ÖFT von 1947 bis 2017 in Zahlen:

3 Weltmeistertitel

9 Präsident/inn/en

22 Vizepräsident/inn/en

52 Olympia-Teilnahmen (9 seit 1988, 43 von 1948-64)

99 Träger/innen des Goldenen ÖFT-Ehrenzeichens

389 getrennt voneinander organisierte österreichische Meisterschaften

401 verschiedene WM-/EM-Teilnehmer/innen (Elite)

 



Manche Dinge ändern sich mit

der Zeit, manche nicht...

Zitate aus den Jahresberichten der

Verbandsturnwarte in den 1950er-Jahren

 

„Ob Kampfrichterlehrgänge zur wirklich guten Wertung führen, muss bezweifelt werden. Denn Objektivität ist Charaktersache.“

 

„Das Schwingen auf dem Pferd und das Turnen an den ruhig hängenden Ringen ist physiologisch nicht zu vertreten. Auch fordern wir von der FIG eine Änderung bei der Wertung von Kürübungen. Die Begrenzung mit 10 Punkten gibt nicht die Möglichkeit, die wirkliche Schwierigkeit zu bewerten.“

 

„Die Berichterstattung unserer Presse war, gelinde ausgedrückt, sehr unerfreulich. Nicht ein Wort wurde geschrieben.“

 

„Die WM-Vorbereitung war gehemmt, weil der ASKÖ seine Turner gesperrt hatte und die Vorarlberger Turnerschaft einen pessimistischen Standpunkt einnahm. Es muss das Interesse des Vaterlandes vor das eigene Interesse gestellt werden.“

 

„Durch das Geräteturnen werden besonders die Ausdauer und Beharrlichkeit (Eigenschaften, die der heutigen Jugend besonders fehlen) gepflegt.“

 

„Ein Aufschwung der Frauenbewegung ist zu verzeichnen, trotz so mancher Besserwisserei, dass deren Turnerei überlebt und unmodern sei.“

 

 

Die Sponsoren, Partner und Ausrüster des ÖFT: